Gewaltbereitschaft junger Männer macht betroffen
Interview mit Diakonie-Berater
Plan International veröffentlichte am vergangenen Sonntag eine Umfrage zur Gewaltbereitschaft junger Männer. „Ein Drittel der Männer findet Gewalt gegen Frauen akzeptabel“, lauten die Schlagzeilen der großen Medien. Die Ergebnisse lösten eine Welle der Betroffenheit aus. Michael Calmano, Berater der Regionalen Diakonie Main-Taunus, überrascht es wenig, dass Männer gewalttätig werden. Im Interview mit dem Hessischen Rundfunk (hr) erklärt er, dass Männer Gewalt einsetzen, um ihre Macht zu demonstrieren und um sich so aus ihrer Ohnmacht zu befreien.
Michael Calmano von der Regionalen Diakonie Main-Taunus ist Täterberater in Hofheim. Er und andere Beratende sowie Psycholog:innen, die bei Sozialverbänden tätig sind, beschäftigen sich täglich mit diesem Problem. Deshalb überraschen ihn die Ergebnisse der Umfrage nicht.
Es gibt auch kritische Stimmen zur Methodik der Umfrage. Laut Ulrich Kohler, Professor für empirische Sozialforschung an der Universität Potsdam, bestehe das Problem, bei der Auswahl der Befragten. Ein Hauptproblem sei, dass Markforschungsunternehmen Online-Panels aus Personen zusammenstellen, die zunächst durch Medien auf Umfragen aufmerksam geworden seien. Erst danach entscheiden sie, ob sie an den Umfragen teilnehmen.
Dennoch bleibt es außer Frage, dass Gewalt in Beziehungen immer noch weit verbreitet ist. Gründe für gewalttätiges Verhalten sind laut Michael Calmano oft unerfüllte Bedürfnisse und Erwartungen in Beziehungen. Männer, die in Beziehungen handgreiflich werden, versuchen ihre Gewalt zu legitimieren. „Ich höre oft Sätze wie ‘Ich bin ja nur gewalttätig geworden, weil ich so provoziert wurde, und ich keinen anderen Ausweg gefunden habe'”, so Calmano. Häusliche Gewalt beschränke sich jedoch nicht nur auf Handgreiflichkeiten. Neben körperlicher Gewalt gäbe es auch psychische, soziale und materielle Gewalt. In der Täterberatung arbeiten Michael Calmano und seine Kolleg:innen alle Themen häuslicher Gewalt auf.
“Gewaltausübung ist auch immer eine Machtdemonstration”, erläutert der Berater weiter. Michael Calmano hat schon oft erlebt, dass Männer gewalttätig wurden, um aus ihrer Ohnmacht herauszukommen. Ein erster Ansatz in der Beratungsstelle sei es, den Klienten andere Möglichkeiten der Konfliktlösung aufzuzeigen. Manche Männer haben in ihrer Herkunftsfamilie keine gewaltfreien Lösungen von Beziehungskonflikten gelernt.
„Wenn jemand im Elternhaus häusliche Gewalt mitbekommen hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er oder sie später Täter oder Opfer wird um ein Vielfaches höher. Das ist wissenschaftlich erwiesen“, so Calmano auf die Nachfrage des hr, warum sich das Männerbild bei gewalttätigen Männern nicht gewandelt habe.
In die Täterberatung kommen einige Männer von sich aus, oft aus Angst um ihre Beziehung oder um den Kontakt zu ihren Kindern nicht zu verlieren. Andere Männer werden aufgrund von Auflagen und Überweisungen zur Täterberatung der Regionalen Diakonie Main-Taunus geschickt. Die meisten wollen etwas verändern und sind offen für eine Beratung.
Quelle: hessenschau.de, 13.06.2023
Autor: Koray Elele